Das Wort für uns
Welt als Welt-Raum
Der erste Gedanke, die erste Vorstellung, die uns unterlaufen, wo das Wort Welt erklingt, heißen Raum. Ich kann in die Welt hinausgehen, in der [124] Welt kommt etwas auf mich zu, kommen andere auf mich zu. Welt ist jenes, in dem wir wohnen, zusammenwohnen mit den Dingen und mit den Menschen. Welt hat ein Oben und Unten, ein Rechts und Links, einen Boden und die Luft und das Firmament, das alles überspannt.
Menschen unterschiedlicher Zeiten haben den Raum der Welt unterschiedlich erfahren und gefaßt; die Nenner, auf welche die Grunderfahrungen des Raumes, der Welt als Raum, gebracht wurden, sind höchst vielfältig, und wir haben längst erkannt, welche naive Selbstüberschätzung es wäre, hier nur von einem Fortschritt zu sprechen. Die Weltbilder, Raum- und somit Weltanschauungen lösen einander ab. Aber vielleicht bleibt in solchem Wechsel eine unauffällige und doch menschlich höchst bedeutsame Konstante: Weltraum ist heimlich und unheimlich, Welt ist Heimat und Fremde.
Der Mensch richtet sich ein in der Welt, er etabliert seinen Anspruch und prägt ihr Angesicht, er verteilt die Welt und beherrscht sie – und indem er es tut, fühlt er sich wohl in ihr, geborgen in ihr, weiß er sich in seinem Eigenen, in dem, was ihn erst wahrhaft Mensch sein läßt.
[125] Und doch, diese selbe Welt setzt sich immer wieder gegen den Menschen durch als jenes, was mächtiger ist als er. Mächtiger zumindest in Gestalt einer je neuen Anfrage: Hat der Mensch seine Welt wirklich im Griff, ist sie nicht das Reservoir unabschließbarer Überraschungen, je neuer Mächte, die unversehens aufbrechen und den Menschen herausfordern, so daß er sich nie beruhigt seiner Weltbeherrschung freuen mag. Und wenn er es täte, wenn's ihm gelänge, die Welt nach seiner eigenen Pfeife tanzen zu lassen – gerade das wäre die absolut langweilige, somit aber erst recht unheimliche, nicht aber die bergende und beglückende Welt.