Theologie als Nachfolge

„Übersetzbarkeit“ für uns

Nichtsdestoweniger bleibt uns die Frage, ob ein solches philosophisches Gottesdenken, wie es uns im 5. Kapitel des Itinerarium – und ähnlich in mannigfachen Kontexten – bei Bonaventura begegnet, unserer eigenen Frage nach Gott, nach seiner Wirklichkeit und Göttlichkeit noch unmittelbar etwas zu sagen habe. Über alle Verschiebungen des geschichtlichen Horizontes, der Ausgangspositionen und Methoden der Rationalität hinweg deutet Bonaventuras Grundeinsicht auf Momente, die uns heute neu, wiewohl in manchem anders, den Weg zum selben erschließen können. Wir wollen hier nur die Dimensionen nennen, die sich uns vom Gespräch mit Bonaventura her zur denkenden Einholung auftragen: Bonaventura deckt die Unverfügbarkeit des Denkens auf als eine Unverfügbarkeit, die sich dem Denken zu denken gibt und aus der Denken sich allererst gegeben ist; die Unverfügbarkeit des Denkens erschöpft sich nicht im Nicht-aussteigen-Können aus vorgeprägten, aber nicht mehr zu hinterfragenden Denkbahnen und Denkgesetzen; in der Unverfügbarkeit des Denkens wird vielmehr offen, daß Denken selbst offen ist zu seinem Anderen, in Pflicht genommen von ihm, daß es Hören ist, dem ein Wort zugesprochen ist. Sowohl in der Selbstreflexion des Denkens als auch in der Reflexion über die vom Denken zu erschließende und zu bewältigende Welt werden wir heute mit denkerischer und sittlicher Dringlichkeit zugleich auf das Moment der Unverfügbarkeit gestoßen. Denken aber – so zeigt die Analyse von Bonaventura, so zeigt auch der direkte Hinblick auf die Unverfügbarkeit des Denkens und im Denken – ist Antwort, die etwas zu verantworten hat. Sol- [146] ches Denken nun ist Wieder-holung einer ersten Ursprünglichkeit, die mehr ist als bloße Faktizität; denn die Interpretation als bloße Faktizität holt nicht den Anspruch ein, welcher der Unverfügbarkeit zu eigen ist, und nicht die Offenheit, die solche Unverfügbarkeit zum Denken hin hat, indem sie sich ihm zeigt und antut, Denken eben in Anspruch nimmt. Solchem Anspruch gegenüber, in der Wahr-nehmung seiner und der eigenen Unverfügbarkeit ist Denken dennoch mehr als bloße Rezeptivität, es ist vielmehr entbunden zu seiner Selb-ständigkeit: eben Mitursprünglichkeit. Der Grundraum des Denkens enthüllt sich so als Grundraum von Beziehung, von Beziehung zum Ursprung als Beziehung zum Unbedingten, zu unbedingter Ursprünglichkeit. Mit den genannten Dimensionen – Unverfügbarkeit, Ursprünglichkeit, Mitursprünglichkeit – kommt noch eine andere ins Spiel; sie bezeichnet die qualitative Differenz des Denkens, das solche Unverfügbarkeit und Ursprünglichkeit achtet, und zugleich die qualitative Differenz solcher unverfügbaren, unbedingten Ursprünglichkeit selbst. Es geht da nicht um einen unbedingten Gegenstand, um einen höchsten Inhalt, der in der Linie der anderen Inhalte des Denkens liegt, sosehr diese Inhalte angegangen, umfangen und „ermöglicht“ sind von solcher Ursprünglichkeit. Es geht vielmehr um das, was unberührbar und berührend, was entzogen und zuallernächst, was unausdenkbar und gerade darum zu denken ist; es geht, phänomenologisch gesprochen, ums Heilige.