Philosophisch-Theologische Reflexionen zum Thema: „Unsere Verantwortung für die Welt von morgen“

Neuzeit – Reduktion der Welt auf den Menschen

In einem fünften Gedankenschritt will ich gerade darauf zugehen und eine freilich viel zu grobe und kurze geschichtliche Perspektive abendländischer Entwicklung geben. Es war so, daß am Anfang des Griechentums bei Platon, der unserem Aristoteles vorausging, schon diese Zweiheit von Form und Materie grundgelegt war, die Zweiheit von begrenzendem Geist und Unbegrenztem, Unbegreiflichem, einfach nur Gegebenem, das nicht auf Geist oder geistige Formen zurückführbar ist. Mit Platon kam jene abendländische Grundentscheidung zum Tragen, daß das Andere, das nicht reduzierbar ist, das im Grunde bedrohlich und rätselhaft bleibt, nun von dem Zweiten und doch überragenden Ersten, dem Geist, geformt wird. Diese Grundentscheidung, die dann bei Aristoteles in einer „poietischeren“, in einer „machenderen“, in einer technischeren Art und Weise variiert und fortgeführt wurde, blieb nach einem großen und nur teilweise christlichen Intermezzo führend für die Neuzeit, die sogar nun etwas Neues produzierte, nämlich die Reduktion des Anderen auf den Menschen. Die Bemühung der Neuzeit ist es, das bedrohende Andere des Menschen aufzuarbeiten und zu einer Sache bloß des Menschen zu machen. Der Mensch vollbringt sich, der [24] Mensch vermag sich, der Mensch prägt allem seinen Stempel nicht nur auf, sondern hat alles, die ganze Welt, so in der Hand, daß sie nur eine Außenstation des Menschen ist. Alles ist nur Außenstation des Menschen. Die naive Frage „Lieber Gott, warum hast Du noch Anderes gemacht?“ versucht der Mensch nun auf eigene Kosten zu lösen, indem er selber alles macht, nicht weil er den lieben Gott nicht haben will, sondern weil er nichts mit diesem Anderen, dem bloßen Es, anfangen kann, weil es ihn bedroht, wenn es nur das Andere ist, und er macht jene grandiosen philosophischen Entwürfe der Neuzeit, daß das Subjekt sich selber nur entwirft in das Andere hinein und aus ihm wieder zurückholt. Diese philosophischen Entwürfe scheinen, gemessen an der Wirklichkeit, naiv. Und doch, die Wirklichkeit, die wir gemacht haben, entspricht genau diesen Entwürfen. Wir versuchten nämlich, die Dinge zu depotenzieren zum Rohstoff und zum Material allein. Es gibt nichts anders mehr als Material und Rohstoff für den Menschen. Der Mensch probiert seine Allmacht, er probiert, alles herzustellen, alles in den Griff zu bekommen. Das ist das kühne Unterfangen der Neuzeit, und diese Neuzeit, die die Welt entdeckt und erschlossen hat, ist – fast frivol gesagt – weltlos, Reduzierung auf den Menschen allein, Reduzierung auf das Ich. Welt als bloße Extrapolation des Menschen, der mit sich etwas anfängt, mit allem etwas anfängt und der alles in die Beliebigkeit seines Machen- und Manipulierenkönnens hineinreduziert.

Meiner Meinung nach ist manches – das ist jetzt nicht eine wissenschaftliche Hypothese, sondern schlicht eine „Meinung“ –, was es an Erschrecken über die Grenzen von Energievorräten heute gibt, nicht in erster Linie und allein Erschrecken über die faktischen Grenzen, sondern Erschrecken über die Einsamkeit des Menschen in sich, der sich seiner unbegrenzten Möglichkeiten vermaß, über die Unheimlichkeit, deren die plötzlich alleingelassenen Menschen innewerden, dafür freilich Schuldige suchen und manchmal zu sehr merkwürdigen Konsequenzen neigen.