Überlegungen zur Bildung der Räte des Laienapostolats

Konziliare Aussagen über die Räte des Laienapostolates

Auf diesem, freilich erst skizzierten, theologischen Hintergrund äußert das Konzil selbst und unmittelbar die Anregung, „consilia“ der Mitwirkung zwischen Amtsträgern und Laien zu schaffen. Diese Anregungen finden sich im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe „Christus Dominus“ (Nr. 27) und im Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam Actuositatem“ (Nr. 26). Die Konzeption, die beiden Stellen zugrunde liegt, ist nicht dieselbe. Gleichwohl geben die genannten Stellen keinen Anlass, vor einer Einführung solcher Räte auf weitere Weisungen und konkretisierende Äußerungen seitens der Autorität der Gesamtkirche zu warten, sondern sie zielen ab auf ihre unmittelbare Durchführung und Konkretion im Raum der jeweils angesprochenen teilkirchlichen Einheiten. An beiden Stellen sind Gremien vorgesehen, in welchen Kleriker, Ordensleute und Laien zusammenwirken. In der Formulierung dieses Zusammenwirkens besteht aber ein bewusst angebrachter Unterschied: in „Christus Dominus“ Nr. 27 wird gehandelt von dem in jeder Diözese einzurichtenden Seelsorgerat. Hier wird der Vorsitz des Bischofs in diesem Rat gefordert. Im Dekret über das Laienapostolat Nr. 26 werden in den Diözesen, soweit wie möglich aber auch auf pfarrlicher, zwischenpfarrlicher und interdiözesaner [40] Ebene, ja sogar im nationalen und internationalen Bereich consilia angeregt, bei denen von einem Vorsitz des Bischofs bzw. Klerikers oder auch umgekehrt des Laien nicht die Rede ist. Soll letztgenannte Stelle einfachhin nach der Maßgabe der Aussage des Bischofsdekrets interpretiert werden? Ist also stillschweigend doch eine hierarchische Spitze dieser consilia gefordert? Der zweite Unterschied in der Formulierung der Stellen macht deutlich, dass hier nicht an eine Gleichschaltung gedacht ist, sondern die konkrete Form dieser consilia bewusst offen gehalten bleibt: Im Bischofsdekret werden Kleriker, Ordensleute und Laien völlig parallel als Mitglieder des diözesanen Pastoralrates genannt; der ursprünglich parallele Text im Dekret des Laienapostolats hingegen wurde eigens abgeändert. Er lautet nun: cooperantibus convenienter clericis et religiosis cum laicis: der Schwerpunkt dieser consilia liegt also deutlich auf den Laien, mit denen Kleriker und Laien mitarbeiten sollen.

Das Verhältnis der hier, im Dekret über das Laienapostolat angesprochenen Gremien zum Seelsorgerat ist nicht näher beschrieben, und auch die Stellung dieser Gremien zur Hierarchie ist offen gehalten. Die Weise des Zusammenwirkens von Klerikern mit den Laien ist allein durch das Wort „convenienter“ bestimmt; das heißt: es ist bewusst alles für einen funktions- und situationsgerechten Aufbau der Gremien offengelassen. Es ist also durchaus an Gremien gedacht, die in Aufgabe und Struktur vom Seelsorgerat verschieden sind

Man kann deshalb nicht im vorhinein für die Räte des Laienapostolates insgesamt fordern, was für den Seelsorgerat nach Maßgabe der Nr. 27 des Bischofsdekrets zu fordern ist. Es handelt sich bei den im Laiendekret angesprochenen Gremien nicht notwendig und sinngemäß um im Namen der Kirche handelnde Organe mit geistlichem Haupt, sondern um Hilfe zur Verwirklichung des Gesamtapostolats der Kirche Die sehr weiten Formulierungen des Dekrets über das Laienapostolat sollen eine konkrete Variabilität der hier vorgesehenen Organe gewährleisten, in [41] Anpassung an die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse der Kirche, aus deren Raum sie ja erwachsen. Es ist nicht unbedeutend, dass der Konzilstext nicht das Wort „constituantur“, sondern „habeantur“ setzt: die Organe, von denen hier die Rede ist, können, müssen aber nicht Neugründung sein, sie können auch bereits Bestehendes fortführen.

Der Vergleich zwischen den bislang herangezogenen Texten des Bischofs- und des Laiendekrets zeigt eine Differenzierung der primären Aufgaben des Seelsorgerats auf der einen, der übrigen Gremien auf der anderen Seite: Der Seelsorgerat ist ein unmittel bar der Leitung der Diözese zugeordnetes Organ, in welchem der Bischof die Ausübung seiner hierarchischen Leitungsgewalt durch den Kontakt und das Gespräch mit den „gesellschaftlichen“ Kräften des Gottesvolkes seiner Diözese der konkreten Realität dieses Gottesvolkes anpasst; es handelt sich hier um eine gesellschaftliche „Übersetzung“ der bischöflichen Leitungsgewalt auf der einen, um eine kooperative Integrierung der gesellschaftlichen Kräfte des Gottesvolkes in der hierarchischen Spitze auf der anderen Seite. Demgegenüber stehen die Gremien, von denen im Laiendekret Nr. 26 gesprochen wird, unter der Grundformel des „adiuvent“, also der Unterstützung der „apostolischen Tätigkeit der Kirche im Bereich der Evangelisierung und Heiligung, im caritativen und sozialen Bereich und in anderen Bereichen.“ (ebd.) Ein besonderer, jedoch keineswegs exklusiver Akzent dieser Unterstützung liegt, wie derselbe Konzilstext betont, auf der Koordinierung der verschiedenen, in sich autonomen Werke und Vereinigungen der Laien, also im gesellschaftlichen Niederschlag der Beteiligung des gesamten Gottesvolkes am Bewirken und Gestalten kirchlicher Einheit (vgl. I, 2).

Der gesamte Kontext zeigt deutlich, dass es eine zu enge Interpretierung der hier mit dem Wort „consilia“ genannten Gremien darstellen wurde, wollte man sie auf die Funktion des Beratens beschränken. Das Beraten der Träger des hierarchischen Amtes gehört gewiss zu den vornehmsten Aufgaben solcher Gremien, erschöpft ihren Aufgabenbereich aber keineswegs. Die genuin gesellschaftlichen Impulse und Äußerungen im Leben der Kirche [42] können von solchen Gremien unmittelbar ausgehen. Sie bedürfen immer der Einheit mit dem hierarchischen Amt; diese aber fordert nicht notwendigerweise Trägerschaft durch dieses Amt oder eine Leitung dieser Gremien durch einen Amtsträger.

Auch im übrigen kirchlichen Sprachgebrauch ist das Wort „consilium“ nicht auf Organe mit bloßem Beratungscharakter eingegrenzt, denen in keiner Weise selbsttätige Befugnis zukäme. Nicht von daher allein kann ein Gremium „consilium“ heißen, dass es einem zu Beratenden zugeordnet ist, sondern auch von daher, dass die Mitglieder dieses consilium in gegenseitiger Beratung ihre Beschlusse fassen Konkret, vom Vollzug des Helfens und Unterstützens beim Gesamtapostolat der Kirche her, fallen beide Dimensionen des consilium ins Gewicht: einmal das Beraten der kirchlichen Autorität, zum anderen das gemeinsame, zuordnende Gestalten der nicht den leitenden Amt als solchem reservierten oder zustehenden Aktivitäten im Leben der Kirche. Ein Beschließen oder Handeln oder eine „Trägerschaft“, welche solchen Organen zukommt, sind von ihrer Natur her anders geartet als das kirchenamtliche Handeln und Sprechen: Beschließen, Handeln und Trägerschaft dieser consilia geschehen in der Kirche, als deren Lebensvollzug, aber nicht im Namen der Kirche.

Indem das Unterstützen als Grundfunktion solcher Räte bezeichnet wird, ist sowohl ihre Bezogenheit auf die verfassende Gewalt in der Kirche ausgesprochen wie auch ihre Unterscheidbarkeit von dieser, also ihre relative Eigenständigkeit. Indem das Unterstützen auf das Apostolat der Kirche als solches und als ganzes bezogen wird, reicht die Wirksamkeit dieser consilia aber über den Bereich des Laienapostolates im engeren Sinn hinaus, in welchem sie koordinierend, also einend tätig sein sollen. Diese Räte werden, ohne kirchenamtlichen Charakter zu erhalten, doch auch für das kirchliche Amt relevant; ohne für die „Gültigkeit“ des amtlichen Handelns der Kirche unentbehrlich zu sein oder solche gar zu konstituieren, werden sie wichtige Organe für die „Wirksamkeit“ dieses amtlichen Handelns.