Volk Gottes auf dem Weg

Geduld und Ungeduld der Hoffnung

Eine Kirche, die es in der Mitte ihres Bewußtseins trägt, daß sie nicht in Besitz, sondern in der Hoffnung lebt, wird in ihren Lebensäußerungen sich von einer Bewußtseinslage der Kirche abheben, die weniger dringliche Anlässe hatte, über ihren gegenwärtigen geschichtlichen Zustand hinauszublicken. Kirche der Hoffnung, das ist Kirche der Geduld, Kirche, die mit der Vorläufigkeit und Unvollkommenheit der Welt, die mit ihrer Bedrängnis in dieser Welt, die mit der Vorläufigkeit ihres eigenen Wirkens und ihrer eigenen Gestalt, die mit der Unvollkommenheit alles Menschlichen in ihr und außer ihr rechnet. Diese Geduld aber wird sich abheben von jeder [24] resignierten oder behäbigen Zufriedenheit; gerade weil sie weiß, daß der Herr kommt, wird sie nicht stehenbleiben, sondern ihm entgegeneilen. Die Geduld, die aus der Hoffnung wächst und in welcher die Hoffnung wächst (vgl. Röm 5,3–5), wird so zugleich eine „Ungeduld“ in sich tragen, die Ungeduld des immer neuen Maßnehmens an der Hoffnung, die Ungeduld dessen, der sich vor­bereitet auf das Ereignis jener Ankunft, die allem erst Sinn und Vollendung schenkt.

Es wird immer notwendig sein, daß reformfreudige Ungeduld sich darauf besinnt, daß sie nichts anderes sein kann als die Gestalt der Geduld, die alles letztlich allein vom Herrn und seinem Geist erwartet. Umgekehrt muß alle hoffende Geduld, die sich aus Kommen des Herrn und auf sein Wirken und Wort verläßt, sich beunruhigen lassen von der Frage, ob die Kirche als Zeichen der Hoffnung sichtbar und deutlich werden könne in der gegenwärtigen Stunde, sichtbar und deutlich gerade auch für jene, die draußen weit draußen stehen.