Wandlungen des Gottesbildes seit dem II. Vatikanum

Fazit und Ausblick

Die verwirrende Fülle von Aspekten, die heute im Fragen nach Gott und in der Rede von Gott ihren Widerhall finden, weisen einerseits auf die Krise des überkommenen Gottesbildes hin. Es [456] würde nicht so vielfältig versucht, es neu zu formulieren, wenn seine bisherige Formulierung den Fragen des Menschen in unserer Zeit schon gerecht würde. Derselbe Umstand weist freilich auch darauf hin, wie lebendig die totgesagte Gottesfrage ist; denn warum sonst nähme sie alle Spielarten menschlichen Denkens und Sprechens so in Beschlag? Innertheologisch betrachtet, darf noch ein weiteres hinzugesagt werden: Daß alle Fragen der Menschheit und alle Möglichkeiten menschlichen Sich-Verstehens sich eintragen in die Botschaft vom christlichen Gott, ist ein Hinweis darauf, wie tief dieser Gott sich eingelassen hat mit dem Menschen; nicht nur der Mensch kommt nicht los von Gott, sondern – und das ist christliche Offenbarung – Gott kommt nicht mehr los vom Menschen. Die Geschichte des menschlichen Versuchs, Gott ins eigene Denken einzuholen, erwies sich freilich wohl noch selten so sehr als gefährdet und ohnmächtig wie gerade heute. Doch auch diese Ohnmacht ist, nach der Maßgabe christlichen Glaubens, von Gott selbst in der Verlassenheit seines Sohnes geteilte Ohnmacht. Als von Gott geteilte ist sie freilich gerade nicht Endstation, bleibt sie nicht in sich selber stehen, sondern ist sie überwunden in der Antwort des Gehorsams des Sohnes an den Vater und des Vaters an den Sohn. Die Fragen der Menschheit, alles Warum des Denkens, der Existenz und der Gesellschaft hineinzudenken und hineinzugeben in das Warum des Gekreuzigten und von dort aus die Antwort des Vaters im Geist an den Sohn und durch den Sohn an die Menschheit zu hören: dies ist die umfassende Aufgabe, die unsere Situation für eine Wahrung und Erneuerung des Gottesbildes uns stellt. Diese Aufgabe kann freilich nicht geleistet werden, wenn wir Gott nur über uns, nur vor uns, nur in uns suchen; er ist in Jesus Christus endgültig der Gott mit uns geworden,1 der Gott in unserer Mitte; so aber wird am Ende wiederum deutlich, was der Grundimpuls des Konzils und die Gottesfrage miteinander zu tun haben.


  1. Vgl. Kasper, Walter: Die Gottesfrage als Problem der Verkündigung, in: Ratzinger, Joseph (Hg.): Die Frage nach Gott, 155–158. ↩︎