Neuer Ansatz in Sicht?

[35] Elementare Lösung gesucht

Der Blick auf die elementaren Nöte der Dritten Welt, der Blick auf die massive Auseinandersetzung westlicher und östlicher Gesellschaftsmodelle, der Blick aber auch in die ermüdend komplizierte und dann wieder so banal von Schlagworten bestimmte Wirklichkeit unseres Lebens hier stellt uns vor eine dritte Frage: Wo zeigt sich eine Lösung, so elementar, so einfach und doch umfassend, daß sie durchschlägt, ohne zu verkürzen, daß sie erhellt, ohne zu überblenden, daß sie führt, ohne zu verführen? Diese Idee müßte einen neuen Denkansatz hervortreiben, sie müßte Licht geben für alle Bereiche, sie müsste – nicht erst durch mühsame Übersetzung, sondern ganz unmittelbar – ein Wort sein, das Leben stiftet und Leben gestaltet, sie müßte etwas wie eine „Spiritualität“, eine neue Weise dazusein entbinden. Sie dürfte aber nicht nur einzelne bewegen, sie müßte ins Miteinander wirken, ihm neue Strukturen prägen, ja neue Gemeinschaft stiften. Daß sich aus demselben Element das Sehen (wenn man so will die „Theorie“), die persönliche Lebensform oder Spiritualität und die Struktur gelebter Gemeinschaft bilden kann, dafür sind eindrucksvolle Beispiele die heiligen Gründer, die Stifter der großen Orden und geistlichen Bewegungen – man denke nur an Franziskus, an Ignatius –, auf ihre Weise auch die Reformatoren.

Der Ruf nach einer die Epoche wendenden neuen Idee mag vielleicht romantisch, naiv, als bloßer Traum erscheinen. Die Vision eines Descartes von der „neuen Wissenschaft“ jedenfalls hat sich in der Geschichte der Neuzeit eingelöst. Kann die Not unserer Stunde auf lange Sicht durch etwas anderes gewendet werden als durch eine Idee, die so elementar ist, die einen so fundamentalen Neuanfang setzt wie seinerzeit die Idee eines Descartes?